Hast du schon einmal gehört, dass Sativa anregend und Indica beruhigend wirkt? So einfach ist es leider nicht. Ein genauerer Blick auf die Forschung zeigt, was wirklich hinter diesen Bezeichnungen steckt und welche Faktoren dein High beeinflussen.
Cannabis gehört zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Schon vor rund 12.000 Jahren bauten Zivilisationen auf der ganzen Welt die Pflanze an – sei es als Nahrungsmittel, für Fasern, als Medizin oder wegen ihrer bewusstseinsverändernden Eigenschaften. Heute ist die Cannabisindustrie ein globales Geschäft mit einem geschätzten Wert von 65 Milliarden Dollar. In Ländern, in denen Cannabis legal ist, stehen den Konsumenten über 700 verschiedene Sorten zur Verfügung. Diese tragen oft farbenfrohe Namen wie „Cat Piss“, „Purple Monkey Balls“ oder „Unicorn Poop“.
Trotz dieser enormen Vielfalt werden die meisten Cannabisprodukte in zwei Kategorien eingeteilt: Indica und Sativa. Es wird behauptet, dass diese Kategorien unterschiedliche psychoaktive Wirkungen haben. Doch neue wissenschaftliche Erkenntnisse stellen diese Einteilung infrage. Tatsächlich gibt es kaum signifikante chemische oder genetische Unterschiede zwischen Indica und Sativa, die die erhofften spezifischen Wirkungen garantieren.
Die Begriffe „Indica“ und „Sativa“ stammen vermutlich aus dem späten 18. Jahrhundert. Der französische Biologe Jean-Baptiste Lamarck schlug vor, Cannabis nach dem Aussehen der Pflanzen zu klassifizieren. Indicas seien demnach kürzer, mit holzigen Stängeln und dicken Blättern, während Sativas höher wüchsen und faserige Stängel sowie dünne Blätter hätten.
Doch kann das Aussehen einer Pflanze wirklich vorhersagen, wie sie auf Körper und Geist wirkt? Die Wirkungen von Cannabis hängen vielmehr von seiner chemischen Zusammensetzung ab.
Eine Studie der University of Colorado Boulder, die über 90.000 kommerzielle Cannabisproben analysierte, zeigte, dass die Etiketten der Produkte ihre chemische Zusammensetzung nur unzureichend widerspiegeln. Es stellte sich heraus, dass Sativa-Sorten nicht unbedingt mehr THC enthalten – den Hauptwirkstoff, der das High erzeugt – als Indica-Sorten. Diese Erkenntnisse stehen im Einklang mit einer früheren Studie, die fast 300 Cannabissorten untersuchte. „Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass es einen konsistenten Unterschied zwischen Sativa- und Indica-Proben gibt“, erklärt Sean Myles, außerordentlicher Professor für Landwirtschaft an der Dalhousie University in Nova Scotia.
Ein Grund für diese Unsicherheit liegt in den umfangreichen Kreuzungen der Pflanzen, die im Laufe der Zeit stattgefunden haben. Die genetischen und chemischen Unterschiede zwischen den ursprünglichen Indica- und Sativa-Pflanzen könnten sich verwischt haben, sodass eine klare Unterscheidung heute kaum noch möglich ist.
Wissenschaftler schlagen vor, Cannabis nach seinen chemischen Eigenschaften zu klassifizieren. Jede Pflanze enthält etwa 540 chemische Substanzen, darunter über 144 verschiedene Cannabinoide wie THC und CBD, die spezifische medizinische und psychoaktive Wirkungen haben.
Ein solches System könnte den wichtigsten Inhaltsstoffen einer Sorte zusammen mit ihren jeweiligen Mengen auf dem Etikett Platz einräumen – ähnlich den „Nährwertangaben“ auf Lebensmittelverpackungen. Zu diesen Inhaltsstoffen würden Cannabinoide und Terpene gehören, letztere sind biologisch aktive Moleküle, die einen großen Einfluss auf Geschmack, Aroma und möglicherweise die Wirkung einer Sorte haben.
Obwohl ein auf chemischen Profilen basierendes Kennzeichnungssystem sinnvoll erscheint, bleibt die Realität, dass die meisten Konsumenten nicht nach detaillierten wissenschaftlichen Informationen suchen. Die Entscheidung wird oft vom Preis bestimmt – das billigste Produkt verkauft sich in der Regel am besten.
Zudem ist die Einteilung in Indica und Sativa einfach und leicht verständlich. Sie bietet eine narrensichere Möglichkeit, Produkte zu vermarkten, die auch ein Laie versteht. „Letztendlich kann man so viele Terpene auf den Aufkleber packen, wie man will“, meint Jikomes, einer der Forscher. „Aber meine Vorhersage ist, dass das Indica/Sativa-System bleiben wird.“
Dieser Artikel zeigt, wie tief verwurzelt die Einteilung in Indica und Sativa in der Konsumkultur ist – trotz der Zweifel, die die Wissenschaft daran hegt. Die Zukunft könnte jedoch eine differenziertere und wissenschaftlich fundiertere Kennzeichnung bringen, die den Verbrauchern eine genauere Orientierung bietet.